Angst ist ein wertvolles, wichtiges Gefühl. Es schützt uns vor Gefahren. Eine Folge traumatischer Erfahrungen kann sein, dass Angst jedoch unser grundlegendes Lebensgefühl wird. Dann haben wir Angst in Situationen, die real nicht gefährlich sind, die uns aber an die Gefahr erinnern, der wir in der Traumasituation ausgesetzt waren.
Trauma heißt immer, dass wir angesichts eines vernichtenden Angriffs, Panik und Todesangst erlebt haben und uns von dieser Erfahrung noch nicht wieder erholen konnten. Die Angst steckt uns förmlich noch in den Knochen. Wenn wir nun in unserem Leben, lange Zeit nach der traumatischen Erfahrung, Situationen erleben, die uns an die frühere Panik oder Todesangst erinnern, kann sie in vollem Umfang wieder über uns kommen. Angst als grundlegendes Lebensgefühl ist eine häufige Traumafolge.
Um uns zu schützen, versuchen wir, die Situationen, von denen wir befürchten, dass sie uns wieder in Angst und Panik versetzen könnten, zu vermeiden. Wir kreieren dafür ein individuelles Überlebensmuster, z.B. Kontrolle.
Das Ziel davon, das Leben kontrollieren zu wollen und es berechenbar und überschaubar zu machen ist, dass wir versuchen, der Gefahr, wieder auf unerträgliche Weise verletzt zu werden, zu entkommen.
Kontrolle auszuüben kann heißen, dass wir z.B. versuchen Menschen und Sachverhalte zu bewerten, oder wir vermeiden Risiken, oder bleiben gegenüber Unbekanntem und Fremdem auf Abstand.
Solcherart Kontrolle ist zu unserem Schutz sinnvoll und wichtig, wenn sie sich auf eine real existierende Gefahr bezieht. Wenn sie sich aber auf alleLebenssituationen bezieht, auch auf diejenigen, in denen keine Gefahr existiert, dann behindert sie uns enorm. Wir fühlen uns dann eingeengt und wie in einem selbstgebauten Gefängnis eingesperrt.
Zu einem normalen, vitalen Lebensfluss, der uns ermöglicht uns zu entfalten und weiterzuentwickeln gehört es, dass wir uns eine gesunde Neugier auf Neues und Unbekanntes bewahren und bereit sind zu lernen. Wenn wir uns trauen dumm, d.h. im positivsten Sinne nicht wissend zu sein und uns Fremdem vorsichtig zuwenden, ermöglichen wir uns zu lernen und zu staunen.
Voraussetzung für diese Öffnung ist zum einen unsere Erfahrung, aus der heraus wir einschätzen können, ob wir dem, was da kommt, gewachsen sein werden. Wir haben sicher schon ähnliche Situationen bewältigt und uns so als selbstwirksam erlebt. Diesen Erfahrungswert können wir für die neue Situation nutzen. Wir haben uns schon in unserer Kraft, Aushaltekapazität und Kreativität erlebt, mit denen wir Herausforderungen gemeistert haben.
Um die Enge unseres übertriebenen und irrealen Kontrollbedürfnisses verlassen zu können helfen zwei Entwicklungsschritte: der erste ist, in der Selbstliebe zu wachsen, d.h. zu üben, sich selbst liebevoll zu beachten. Aus dieser liebevollen Selbstbeachtung erwächst eine innere Sicherheit, die es ermöglicht, sich dem Leben mehr zu öffnen, ohne es unter Kontrolle bringen zu wollen.
Der zweite, sich aus dem ersten Schritt ergebende Schritt ist, dass wir uns mit einer Liebe verbinden, die größer ist als wir selbst. Diese Liebe, die wir „das aufbauende Prinzip“ nennen können, ist jederzeit da und erfahrbar. Sie ist der Motor für das Leben. Uns dieser Liebe, die größer ist als wir selbst, gewahr zu werden und uns ihr hinzugeben ist ein Prozess des Loslassens und sich Anvertrauens.
Aus dieser Hingabe in die Liebe, die wir selbst sind und die größer ist als wir, erwächst die Kraft, die Kreativität und die Kompetenz, die Schwierigkeiten, die sich uns vielleicht gerade stellen, zu bewältigen.
In dieser Hingabe an die Liebe, die wir selbst sind und die über uns unendlich weit hinausgeht, können wir die Kontrolle aufgeben, uns anvertrauen und erfahren, dass wir geborgen sind. Aus dieser Erfahrung von Liebe und geliebt zu sein, entdecken wir die Lösungen, die wir zur Bewältigung der Herausforderungen, die wir bewältigen müssen, brauchen.
Wenn es uns gelingt loszulassen, uns anzuvertrauen und uns dem Strom des Lebens, der Liebe, die wir in uns tragen und der Liebe, d.h. dem aufbauenden Prinzip, das größer ist als wir selbst, hinzugeben, werden wir frei.
Von dem traumabedingten Gefangensein in Angst, ständiger Gefahrenerwartung und dem Versuch den Fluss des Lebens zu kontrollieren, hin zu einem frei fließenden Leben, das auch Herausforderungen mit sich bringt, die schwer sein können, aber die wir schaffen können, ist das Ziel der Traumaheilung durch Selbstbejahung.