Vermutlich kennst Du auch Verhaltensweisen von Dir, mit denen Du Dir selbst im Wege stehst. Du willst Dich entwickeln, willst Deine Ziele erreichen und Deine Wünsche verwirklichen und drehst Dich doch immer wieder im Kreis. Es ist ermüdend und erschöpfend, in den immer gleichen, sich wiederholenden Ausweichstrategien, Vermeidungsmethoden und Selbstblockaden gefangen zu sein. Obwohl Dir womöglich theoretisch ganz klar ist, was Du tun müsstest, um vorwärts zu kommen und freier zu werden, gelingt es Dir nicht. Das führt früher oder später zu Frustration und wachsender Resignation.
Selbstblockaden sind eine Traumafolge und ein wesentlicher Aspekt unserer Überlebensmuster. Wir haben uns in unseren eigenen Selbstrettungsversuchen aus dem Trauma so verfangen, dass es so scheint, als gäbe es keinen Ausweg mehr. Selbstblockaden können sich zum Beispiel im Konsum von Suchtmitteln (Kaffee, Zucker, Alkohol, Cannabis, social media usw.) zeigen, wenn unangenehme Gefühle auftauchen. Anstatt das unangenehme Gefühl zuzulassen, zu ergründen und wahrzunehmen, auf welche notwendige Veränderung es hinweist und mich dafür zu engagieren, dass diese Veränderung eintritt, ist der Konsum irgendeines Suchtmittels kurzfristig die leichtere Lösung. Wie leicht ist es doch – kurzfristig – sich statt ehrlicher Selbstbeachtung, der Schokolade oder dem Feierabendbier hinzugeben. Langfristig hat dieses Vermeidungsverhalten jedoch zur Folge, dass Du Dein Leben nicht so gestalten kannst, wie Du es tun müsstest, um glücklich zu werden.
Ein zweites Beispiel: Du wünschst Dir, Dich Deinem Partner oder Deiner Partnerin anvertrauen zu können und eine innige, tiefe Beziehung einzugehen, weichst aber der sich vertiefenden Liebe aus, indem Du mit anderen interessanten Frauen oder Männern flirtest. Wie leicht ist es doch, gute Gefühle herzustellen, indem Du Dich für andere Menschen interessant machst, sie manipulierst und damit erreichst, dass sie Dich toll finden. Klar macht das Spaß und hebt vorübergehend Dein Selbstwertgefühl, aber Dein Herzenswunsch nach einer tragfähigen Liebesbeziehung erfüllt sich so leider nicht.
Selbst wenn wir um unsere „Macken“, um unsere Strategien des Ausweichens, Weglaufens oder gegen uns selbst Ankämpfens wissen, gelingt es oft nicht, sie zu beenden. Warum?
Sie haben den Zweck, uns zu schützen. Indem wir vermeiden, uns in unserer Verletzbarkeit zu fühlen und zu zeigen, hoffen wir – meist unbewusst – uns vor erneuten Verletzungen schützen zu können. Trauma heißt, dass wir so sehr verletzt wurden, dass so gnadenlos und lieblos mit uns umgegangen wurde, dass wir das nie wieder erleben wollen. Also lassen wir niemanden mehr an uns und unseren weichen, inneren Kern heran – auch uns selbst nicht.
Das ist eine große Tragödie, ein großes Unglück! Wir sehnen uns so sehr danach, uns als Verletzliche*r, d.h. in unserer Zartheit, Schönheit und Lebenskraft, leben und entfalten zu können und gleichzeitig tun wir alles dafür, uns zu verstecken und andere, die wir eigentlich nah haben wollen, auf Abstand zu halten.
Wie können wir das beenden? Der einzige Weg raus aus dieser Spirale der Selbstblockade und Selbstverneinung ist, wie könnte es anders sein, die Selbstliebe. Liebevolle Selbstbeachtung ist das sich Dir selbst zuwenden, Dich für Dich zu interessieren, vor allem für diese sperrigen, unliebsamen Verhaltensweisen und die dahinter verborgene Verletztheit und Verletzlichkeit.
Liebevoll ist das, was die Wahrheit wissen will. Es hilft Dir nicht, wenn Du Dich weiterhin belügst, indem Du „lieb“ zu Dir bist und Dir positive Gedanken ausdenkst. Hilfreicher ist es, genau zu beachten: Was fühlst Du? Was will Dir das Gefühl sagen, auf welches Leid, das du erlebst, will es dich hinweisen? Was weißt Du in Deinem Gefühl schon darüber, wie Du das, worunter Du leidest, verändern möchtest? Welche Schmerzen fühlst Du, die Du Dir geschworen hast, nie wieder fühlen zu wollen? Was ist das scheinbar Unaushaltbare, das endlich gefühlt werden will? Was erlebst Du, wenn Du Dir erlaubst, Dich dem, was schlimm war, wieder schrittweise anzunähern und den Schmerz ganz zu fühlen? Welche Ruhe und welcher Frieden tauchen in Dir auf, wenn Du durch den Schmerz hindurchgehst – immer so weit, wie es Dir gerade möglich ist? – Also was geschieht, wenn Du dem ursprünglichen traumabedingten Schmerz nicht mehr ausweichst?
Das ist der Prozess, den es braucht, um frei und glücklich zu werden und um den tiefen Wunsch nach Heilung und einer haltgebenden, von Liebe getragenen Bindung zu anderen Menschen zu erfüllen.
Es ist möglich, glücklich zu sein! Es kostet nur den Preis, Dich der Wahrheit und dem Schmerz zu stellen und Dich schrittweise anzunähern. Es ist notwendig, ihn zuzulassen, zu Ende zu fühlen und damit die Tür für tiefe Erfahrungen von Liebe, Frieden und Glück zu öffnen.